
Winterblues ade
Liebe Frau Rogoll, was sind Ihre Top-Tipps, um ein Stimmungstief zu überwinden?
Sich kleinere Aufgaben vornehmen, die man auch wirklich schaffen kann. Das kann ein bewusster Spaziergang, das Lesen von fünf Seiten in einem Buch oder das Ausräumen der Spülmaschine sein. Ebenfalls ist es in solchen Zeiten sinnvoll, sich mit Menschen zu umgeben, die einem gut tun. Oder Termine, die gerade zu stressig erscheinen, abzusagen, anstatt sich anhaltend zu quälen. Das Wichtigste ist jedoch: Raus aus dem Bett und in die Aktivität kommen!
Gibt es einen Unterschied zwischen Winterblues und Winterdepression?
Diese Begriffe werden meist synonym verwendet. In den dunkleren Monaten sind Licht- und Bewegungsmangel ziemlich verbreitet und können mit Auslöser einer solchen Verstimmung sein. Kennzeichnend dafür sind anhaltende Müdigkeit, Erschöpfung und Energiemangel. Sie ahnen es; raus an die frische Luft, körperlich aktiv werden und den Vitamin-D-Spiegel überprüfen lassen.
Wie viele Minuten Tageslicht machen einen Unterschied?
Generell ist es sinnvoll, sich viel draußen aufzuhalten und auch mal die Mittagspause in den Park zu verlegen. Wer viel draußen ist, kann in den Sommermonaten auf den Einsatz einer Tageslichttherapielampe verzichten. Für alle anderen, die unter Stimmungstiefs oder depressiven Erkrankungen leiden, würde sich die Anschaffung einer solchen Lampe eventuell lohnen. Vor diese setzt man sich am Morgen für 30 Minuten in einem ausreichenden Abstand. Sie haben die Zeit nicht? Lassen Sie diese beim Frühstück oder auf der Arbeit neben sich leuchten. Empfehlenswert ist es auch, mit dem Rad oder zu Fuß zur Arbeit zu gehen. So bekommt man wenigstens etwas Licht ab. Auch wenn man auf Bus oder Bahn angewiesen ist: Einfach mal 1-2 Stationen vor dem Ziel aussteigen und die Reststrecke laufen.
Wir wissen, dass manche Menschen zusätzliches Vitamin D benötigen. Gibt es weitere Nährstoffe bzw. Vitamine, die man in den Wintermonaten zu sich nehmen sollte?
Vitamin D sollte man nur zu sich nehmen, wenn auch nachgewiesen ein Vitamin-D-Mangel besteht. Nimmt man dieses ohne ärztliche Indikation können z.B. Nierensteine oder andere Nebenwirkungen die Folge sein. Empfehlenswert ist ganzjährig eine mediterrane Ernährung und der Verzehr von saisonalem Obst und Gemüse.
Welches Lied empfehlen Sie zum Mitsingen und -Tanzen gegen einen Winterblues?
Ich empfehle sich eine ganze Playlist anzulegen mit Songs, die einem gut tun. In meiner Playlist befinden sich unter anderem „Flowers“ (Miley Cyrus), „Wer hat hier schlechte Laune“ (Max Raabe), „Fuck you“ (Lily Allen) und „First we take Manhattan“ (Leonard Cohen).
Leiden Frauen und Männer gleich?
Jeder Mensch, der von einer depressiven Erkrankung betroffen ist, leidet. Die Kernsymptome wie verminderter Antrieb, Interessensverlust und gedrückte Stimmung sind gleich. Frauen besitzen jedoch ein doppelt so hohes Risiko an einer Depression zu erkranken. Sie ziehen sich eher von ihrem Umfeld zurück, weisen dann aber ein aktiveres Hilfesuchverhalten auf. Betroffene Männer reagieren dahingehend oft gereizter, wirken aufbrausender und haben eine Tendenz zum Substanzmissbrauch.
Was tun nordische Länder besser als wir?
Das kommt darauf an, was man unter „besser“ versteht. Politische Sicherheit und Vertrauen in die Politik, ein ausgeprägtes soziales Netz, fairere Gehälter, Selbstverwirklichung und fortschrittliches Denken sind einige Aspekte die attraktiv sind. Dennoch schützen diese Faktoren keineswegs vor Depressionen, wie aktuelle Studien zeigen. Auch nordische Länder haben hohe Erkrankungsraten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Diplom Psychologin Janina Rogoll ist als psychologische Psychotherapeutin (VT) und Supervisorin in einer psychotherapeutischen Praxis tätig, lehrt an verschiedenen Institutionen, studiert derzeit Perimortale Wissenschaften und forscht zum Thema Angst, tiergestützte Therapie und verwaiste Eltern.
Die Seelen-Docs –
Hilfe bei Depression, Erschöpfung und Burn-out
Prof. Dr. med. Andreas Ströhle,
Dipl.-Psych. Janina Rogoll,
Prof. Dr. Thomas Fydrich
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