„Pfui! ruft da ein jeder: Garst’ger Struwwelpeter“

21.03.2024

Das Struwwelpeter Museum in Frankfurt am Main stellt sich vor. Wir sprachen mit der Museumsleiterin Beate Zekorn-von Bebenburg.

Was macht das Struwwelpeter Museum?

Unser Haus steckt voller Geschichten. Nicht weit vom Museum schuf vor fast 180 Jahren der vielseitige Frankfurter Arzt Dr. Heinrich Hoffmann mit den Struwwelpeter-Geschichten das erste Bilderbuch. Alles über Buch und Verfasser erfahren Kinder und Erwachsene in der interaktiven Ausstellung auf drei Etagen. Einen „Hauptgewinn in der Lotterie des Buchmarkts“ nannte mal jemand den Struwwelpeter, und das stimmt: Seit 1845 ist das Buch ununterbrochen verlegt. Mehr als 30 Millionen Exemplar wurden allein auf Deutsch gedruckt. Es gibt Übersetzungen in fast 50 Sprachen und über 90 deutsche Dialekte. Seltene frühe Struwwelpeter-Ausgaben und exotische Übersetzungen, kuriose Nachahmungen und witzige Parodien, Kunst und Kitsch erzählen von der unglaublichen Rezeptionsgeschichte dieses trotz aller Kritik ewig jungen Longsellers. Die Museumssammlung umfasst über 7.000 Objekte zum Struwwelpeter.

Der vielseitige Heinrich Hoffmann war kein professioneller Kinderbuchautor. Sein Lebenswerk schuf er in seinem Arztberuf. Sehr wichtig ist für uns der Abschnitt der Dauerausstellung, der Hoffmanns Wirken als Reformer der Psychiatrie im 19. Jahrhundert zeigt. Unser Museum ist ein Inklusionsbetrieb, ein Teil der Kollegen und Kolleginnen hat eine psychische Beeinträchtigung. Nicht nur Hoffmanns materieller Nachlass, sondern auch seine Ideen wirken so in unserem Museum weiter.

Neben der Dauerausstellung zeigen wir ein bis zwei Wechselausstellungen. Bis Ende Mai 2024 ist das eine historische Schau, die sich mit Struwwelpeters revolutionären Wurzeln im Vormärz und in der Revolutionszeit von 1848 befasst. Auch die zeitgenössische Illustrationskunst hat einen festen Platz auf der Galerie im dritten Stock.

Welche Angebote gibt es für Erwachsene? Welche für Kinder und für Jugendliche? Und muss man vor Ort sein?

Viele Erwachsene reisen mit den Struwwelpeter-Geschichten zurück in die eigene Kindheit. Im Museum lernen sie Hoffmann auch als engagierten Bürger der 1848-Zeit, begnadeten Netzwerker und natürlich als Reformer der Psychiatrie kennen. An Medienstationen können die Gäste tiefer eintauchen in die verschiedenen Themen, so etwa Biedermeierzeit, Vormärz oder auch Psychiatriegeschichte. Witzig ist ein Zeitstrang mit den politisch-satirischen Auftritten der Struwwelpeter-Figuren in der Welt der Erwachsenen. Seit 1848 tauchen die archetypischen Charaktere in Karikaturen und Satiren auf. In der Covid-Zeit entstand ein „Impf-Kaspar“, der à la Suppen-Kaspar Maskentragen und Impfung verweigert. Man kann sich ausrechnen, wie das für den Impf-Kaspar endet … Ein Audioguide gibt zusätzliche Informationen und ist nicht nur auf Deutsch, sondern in sechs weiteren Sprachen abrufbar für das eigene Smartphone. Für Kinder gibt es die Hörführung „Mit der Museumsmaus durchs Haus“.

Kinder können auf dem Spiele-Pfad und den Geschichten-Inseln mit digitalen und Hands-on-Spielen in die Geschichten eintauchen. Wer schon immer mal wissen wollte, wie es mit dem aufmüpfigen Struwwelpeter weitergeht, erhält in einer Medienstation lustige Antworten. Ob als Aktivist bei „Struwweln for Future“ oder als Reggae-Musiker auf Jamaica – immer bleibt der Struwwelpeter hübsch rebellisch. Der Hit für viele kleine und große Kinder ist aber sicherlich die Verkleide-Ecke, wo man sich in seine Lieblingsfigur aus dem Struwwelpeter verwandeln kann. Mit Kinder- und Jugendlichen-Gruppen entwickeln wir in den Führungen kurze Theaterstücke. Täglich erleben wir da, wie gut sich die Geschichten in die heutige Zeit übertragen lassen. Klar, dass Hanns Guck-in-die-Luft heute wegen seines Dauerguckens auf das Smartphone verunglückt.

Sehr beliebt ist unser Kindergeburtstags-Angebot. Mit altersgemäßen Programmen können die Kinder das Museum erkunden und danach die Geburtstagstorte verputzen. Kinder von 5 -6 Jahren begeben sich zum Beispiel mit dem „Hasenabenteuer“ auf eine lustige Schatzsuche, allesamt mit Hasenohren auf dem Kopf ausgestattet. Natürlich bieten wir auch Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene. So finden bei uns während der Buchmesse tolle Lesungen im Rahmen von Bookfest Kids statt. All diese Angebote erlebt man natürlich am besten vor Ort im Museum. Ich finde, die unmittelbare Situation im Museum, das Betrachten von Kunst, ist ein so schönes, einmaliges Erlebnis. Es kann von digitalen Ressourcen nicht ersetzt werden. Aber wer möchte, kann sich den Audioguide auch daheim anhören und viele Informationen daraus gewinnen.

Was ist der größte Schatz, der im Struwwelpeter Museum bewahrt wird?

Unser größter Schatz ist Heinrich Hoffmanns Nachlass. Hier finden sich so wunderbare Stücke wie das von Hoffmann für seine Enkel gezeichnete Würfelspiel „Herrn Fix von Bickenbachs Reise um die Welt in 77 Tagen“ und viele weitere Beispiele für den besonderen Nonsens-Humor des Struwwelpeter-Autors.

Was steht in den kommenden Monaten an?

Im Frühjahr 2024 präsentieren wir die wunderbaren Illustrationen zu Goethes „Zauberlehrling“ von Sabine Wilharm, die im Kindermann Verlag als Buch in der Reihe „Poesie für Kinder“ erschienen sind. Die Künstlerin hat auch die Einbände der deutschsprachigen Harry-Potter-Ausgaben gestaltet. Ab Juni 2024 zeigen wir die Ausstellung „Struwwelpeter für das 21. Jahrhundert“ mit der New Yorker Künstlerin Marianne Petit. Es ist immer wieder verblüffend, wo überall auf der Welt sich Künstler:innen mit dem Struwwelpeter auseinandersetzen. Marianne Petit erkundet Hoffmanns alte Geschichten mit Hilfe von mechanischen Büchern. Ihre Arbeiten verbinden moderne Technologie, traditionelle Buchkunst und modernes Storytelling. Sehr spannend finde ich, dass wir diese aktuellen Pop-Up-Arbeiten von Marianne Petit in den Dialog mit mechanischen Struwwelpeter-Büchern aus dem 19. und 20. Jahrhundert bringen, so etwa mit den „Lebendigen Struwwelpetern“ von Lothar Meggendorfer. Er war Ende des 19. Jahrhunderts ein Pionier auf dem Gebiet der beweglichen Bilderbücher. Diese mechanischen Druckkunstwerke gehören heute zu den teuersten antiquarischen Sammelobjekten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Entdecken Sie das Museum selbst: Struwwelpeter-Museum

Noch zu sehen bis 26. Mai 2024: „Der Zauberlehrling“, illustriert von Sabine Wilharm