Hamburg

Hamburg – ein literarischen Spaziergang

Willkommen in der Hansestadt Hamburg! Schlendern Sie heute mit unserem Literaturexperten Dirk Heißerer* durch die norddeutsche Hafenmetropole und entdecken Sie Spannendes über große Dichter und Denker wie Lessing, Heine, Schiller, Mann und Ringelnatz. Unser literarischer Spaziergänger nimmt Sie mit vom Gänsemarkt über den Jungfernstieg, zum Heine-Haus, vorbei an vielen Dichterdenkmälern und ihren Musen und weiter am Ufer der Außenalster mit ihren Villen entlang bis hin zum Hafen.



„Die Alster lehrt Gesellig sein!“

Mitten im Getümmel geht’s los. Das Lessing-Denkmal von Fritz Schaper (1881) auf dem Gänsemarkt ist umbrandet von Leben. Der Dichter der lebensklugen „Minna von Barnhelm“ und des weisen „Nathan“ mit seiner zeitlosen Toleranzidee steht freilich nicht weltabgewandt über dem Gewimmel zu seinen Füßen, sondern sitzt lässig auf einem Sessel, im Faltenwurf eines langen Mantels, die rechte Hand abgewinkelt aufgestützt, in der Linken ein Buch mit Fingerlesezeichen und hat den Blick so energisch nach vorn gerichtet, dass man auch heute noch merkt, wo’s lang geht. Sogar der kleine Fehler bei der Auflistung seiner Werke auf einer Tafel am Sockel, wo es „Hamburger Dramaturgie“ statt „Hamburgische“ heißt, wird durch die Gegenwart souverän bestätigt: Gegenüber, im „Lessing Haus“, gleich neben der renommierten Finanzbehörde, hat sich McDonald’s breit gemacht, und da stimmt die Dramaturgie des Hamburger ja nun wirklich.



„Hier gehet in gewölbten Lüften
Die Sonne recht gefällig auf,
Und lachet den beblümten Triften
Und sieht mit Lust der Alster Lauf.“
Hagedorn



„Schöne Herzenskönigin“

Den Jungfernstieg mit dem Alsterpavillon hinab geht es vorbei am Heine-Haus (Nr. 34), wo freilich nicht der Dichter, sondern sein Onkel, der Bankier Salomon Heine, residierte. Sein junger Neffe, der in Hamburg als Bankier und Kaufmann keinerlei Geschick bewies, hat die Gesellschaft unter den „Linden des Jungfernstiegs“ literarisch umso begabter skizziert:„Es war Sonntag, fünf Uhr, die allgemeine Fütterungsstunde, und die Wagen rollten, Herren und Damen stiegen aus, mit einem gefrorenen Lächeln auf den hungrigen Lippen – entsetzlich! (...) Unter den vorüberrollenden Nullen erkannte ich noch manchen alten Bekannten.“

Sehr hoch ist es den Hamburgern anzurechnen, dass sie sich diesen Spott des jungen wilden Heine nicht nur lässig haben gefallen lassen, sondern dass sie das in der Nazizeit zerstörte Heine-Denkmal von Hugo Lederer (1926) im Jahr 1982 durch eine am einstigen Vorbild des nachdenklichen Dichters orientierte neue Skulptur von Waldemar Otto auf dem Rathausmarkt ersetzen ließen.

Damit nicht genug, steht in der noblen Elbchaussee Nr. 31 noch heute das einstige Gartenhaus des Bankiers Salomon Heine und hält ebenfalls die Erinnerung wach an die Zeit, da der Neffe die „Schöne Wiege meiner Leiden“, seine „Schöne Herzenskönigin“ im Jahr 1819 mit 22 Jahren verließ. Ein Vierteljahrhundert später kam er 1843 noch einmal zurück, wohnte in der Esplanade Nr. 19, besuchte seine Mutter, seinen Verleger Campe und sah in seinem satirischen Gedicht „Deutschland. Ein Wintermärchen“ (1844) bei einem längeren Gespräch mit der Stadtgöttin Hammonia eine alles andere als rosige Zukunft nicht nur für Hamburg voraus.



Musen um Schiller

Musen gehören in Hamburg zum Stadtbild. So hat Thalia, die Muse der heiteren Dichtkunst und des Lustspiels, schon 1843 einem Theater den Namen gegeben. Vier bronzene Musen umgeben außerdem das erste Dichterdenkmal Hamburgs überhaupt. Der monumentale Schiller mit lässigem Reisemantel und obligatem Einmerkfinger im mitgeführten Buch hält seit 1866 auf einem Sockel allen Veränderungen ringsum stand. Sei es der Dammtorbahnhof, der sich ihm 1903 in den Blick schob, sei es das Kriegerdenkmal auf der anderen Straßenseite oder gar das modernistische Cinemaxx nebenan, Schiller übersieht alles und blickt hinüber zum kollegialen Denkmal im Gustav-Mahler-Park.

An Gustav Mahler, den seinerzeitigen Chefdirigenten der Hamburger Oper (1891 bis 1897), erinnert eine Bronzetafel ganz in der Nähe am ehemaligen Stadttheater, dem heutigen Neubau der Hamburger Staatsoper.



„Der Elbe Schifffahrt macht uns reicher;
Die Alster lehrt gesellig sein!
Durch jene füllen sich die Speicher;
Auf dieser schmeckt der fremde Wein.“
Hagedorn



„Befördrer vieler Lustbarkeiten“

Am Ufer der Außenalster entlang kommt man in noble Welten, für die Thomas Mann in seinem Roman „Der Zauberberg“ (1924) einen guten Blick hat; das Haus des Konsuls Tienappel lag dort, wie viele vergleichbare Villen noch heute, „im Hintergrunde eines Gartens am Harvestehuder Weg und blickte auf eine Rasenfläche, in der auch nicht das kleinste Unkraut geduldet wurde, auf öffentliche Rosenanlagen und dann auf den Fluß“.

Das Alstervorland endet im Eichenpark mit dem Denkmal (1897) für den Dichter Friedrich von Hagedorn. Der Zeitgenosse Lessings ging hier gern spazieren, kannte die alten „Kloster-Länder“ um das einstige Nonnenkloster in Harvestehude und kehrte vielleicht ein wenig zu oft in eben demjenigen Gasthaus ein, das dem Kloster gefolgt war; sein auch von Lessing ausführlich bedauerter Tod mit 44 Jahren durch „Wassersucht“ war Ergebnis dieser feuchtfröhlichen Lebenslust. Hagedorn focht das wenig an; er sah die Sonne über dem „Befördrer vieler Lustbarkeiten, Du angenehmer Alsterfluß“ mit antikem Feuer aufgehen. Außerdem dichtete er eine Alster-Hymne, die zeitlos gültig geblieben ist.

Bedenkt man, dass Hamburger Bürger den ersten Jahrestag der Französischen Revolution am 14. Juli 1790 am Alsterufer um Hagedorns Gasthaus herum feierten, wobei sogar der alte Klopstock „die rege Freiheit überall“ in zwei Oden besang, dann rauscht es in den Blättern des heute etwas abseitigen Eichenparks noch einmal besonders kräftig auf.

Unweit vom Eichenpark residiert am Harvestehuder Weg Nr.42 der Verlag Hoffmann und Campe, der in diesem Jahr sein 240-jähriges Bestehen feiern kann. Eine Gedenkplakette für den Hausdichter Heinrich Heine hing einst am Haus des Verlegers Julius Campe in der Altstadt, wurde während der Nazizeit von einem Maurer versteckt und ziert seit 1960 einen massiven Quader neben dem Fußweg zum Verlag.



„Mein Ideal wäre,
Daß man nach meinem Tod (grano salis)
Ein Gäßchen nach mir benennt,
ein ganz schmales
Und krummes Gäßchen, mit niedrigen Türchen,
Mit steilen Treppchen und feilen Hürchen,
Mit Schatten und schiefen Fensterluken.
Dort würde ich spuken.“
Ringelnatz



Die Ringelnatztreppe

Alle Wege führen in Hamburg zum Hafen. Joachim Ringelnatz, der Matrose aus Sachsen, hat mit dem Seemann Kuttel Daddeldu nicht nur sich selbst, sondern geradezu alle Seeleute, besonders die in Hamburg, auf den lallenden Punkt gebracht. Auch seine Ameisen, die nach Australien reisen wollten, aber bereits in Altona auf der Chaussee wegen ihrer wehen Beine „weise; auf den letzten Teil der Reise“ verzichten, sind bereits sprichwörtlich geworden.

Die Hamburger Ringelnatztreppe, die in Övelgönne vom Elbufer hinauf zur Elbchaussee führt, hat der einheimische Dichter Peter Rühmkorf in einem eigenen Gedicht („Kringel für Ringel“) gewürdigt. Dabei genügt die Ringelnatztreppe vermutlich ganz und gar eben demjenigen „Ehrgeiz“, dem Ringelnatz selbst ein Gedicht gewidmet hat, das die so genannte „Ehre“ von „Verdienstkreuzchen“ in Frage stellt und auf eigene Weise neu definiert.



Literaturhinweise



DuMont BILDATLAS Hamburg: Hanseatisches Flair
Hilke Maunder
DuMont Reiseverlag
Paperback, 126 Seiten
ISBN 978-3-7701-9413-1
Euro 9,95



Sturm über der Villa am Elbstrand (Bd. 3) – Elbstrand-Saga, 3 Bände
Charlotte Jacobi
Piper Verlag
Paperback, 496 Seiten
ISBN 978-3-492-31525-8
Euro 10,-



Glücksorte in Hamburg
Cornelius Hartz
Droste Verlag
Klappenbroschur, 168 Seiten
ISBN 978-3-7700-2033-1
Euro 14,99



Das Hamburg Buch: Highlights einer faszinierenden Stadt
Kunth Verlag
Hardcover, 256 Seiten
ISBN 978-3-95504-527-2
Euro 29,95



Die gruseligsten Orte in Hamburg
Gmeiner Verlag
Paperback, 288 Seiten
ISBN 978-3-8392-2703-9
Euro 12,-



Hamburg: 20 thematische Spaziergänge
Junius Verlag
Klappenbroschur, 320 Seiten
ISBN 978-3-88506-438-1
Euro 19,90



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Dirk Heißerer, geboren 1957, ist Literaturwissenschaftler und Autor sowie Vorsitzender des Thomas-Mann-Forums München e.V.. Seit 1988 veranstaltet er literarische Spaziergänge und Exkursionen zwischen Schwabing und dem Gardasee. (www.lit-spaz.de).

Fotos: © Dr. Dirk Heißerer, Adobe Stock, alamy u.a.