Korn

Der letzte Satz

Drei Familien, drei Städte, ein Jahrzehnt – Ein Interview mit Carmen Korn

Mit ihrer Jahrhundert-Trilogie gelang Carmen Korn ein einzigartiger Bestseller-Erfolg. Ihre Romane „Töchter einer neuen Zeit“, „Zeiten des Aufbruchs“ und „Zeitenwende“ erzählen von vier Frauen im Hamburg des 20. Jahrhunderts - und haben Millionen von Lesern erreicht. Mit „Und die Welt war jung“ erscheint nun der Auftakt zu einer neuen großen Saga um drei befreundete Familien. Der erste Teil umspannt auf über 600 Seiten die Nachkriegszeit ab 1950. Carmen Korn verknüpft geschickt die Leben der Familien Aldenhoven, Borgfeldt und Canna – über ein Jahrzehnt springen wir hin und her zwischen drei Städten, tauchen ein in die persönlichen Geschichten und teilen große und kleine Momente, Höhen und Tiefen, Sorgen und Freuden. Ob in Hamburg, Köln oder San Remo, alle eint der Wunsch, aus dem Schweren etwas Gutes entstehen zu lassen – und die Hoffnung auf ein wenig Glück.

Liebe Frau Korn, Ihre neue Familien-, Freundschafts- und Liebesgeschichte spielt in drei Städten: Hamburg, Köln und San Remo. Sie sind in Köln geboren, leben seit 1975 in Hamburg; Wie steht es mit San Remo, ist das auch eine Herzensstadt?
San Remo klang mir schon früh in den Ohren, mein Vater komponierte und textete Schlager und hatte immer einen Blick auf das italienische ,Festival della Canzone‘. Aber richtig in mein Leben gekommen ist San Remo, als ich meinen Mann kennenlernte, der als Kind mit seinen Eltern eine Zeitlang dort gelebt hat. Meine Schwiegereltern wollten sich dort niederlassen, doch das Leben lebte sich anders, es blieb beim Kauf eines großen Grundstücks oberhalb von San Remo. Das geplante Haus wurde nie gebaut, es blieb bei der kleinen alten ,casa rustica‘, die bereits auf dem Stück Land stand. Mein Mann und ich haben unsere Sommer in den siebziger und achtziger Jahren dort verbracht, und ich lernte ein untouristisches San Remo kennen.

„Und die Welt war jung“ lautet der Titel Ihres neuen Romans. Das klingt nach Neuanfang und Hoffnung – ein Gefühl, das sich durch den Roman zieht. Wie kam es zu diesem Titel?
Der Titel ist einer meiner Vorschläge, er gefiel meiner Lektorin am besten. Die Welt scheint mir tatsächlich jung gewesen zu sein in jenen Jahren. Die Kälte und die Entbehrungen der ersten Nachkriegsjahre waren vorbei, da lag wieder eine helle Zukunft vor den Menschen. Eine Zeit der Neuanfänge. Doch für mich schwingt in dem Titel das eigene Familiengedächtnis mit, denn auch die Welt meiner Eltern war jung. Jung und vielversprechend. Dieses Lebensgefühl lässt sich auf den Fotos gut erkennen. Dann wurde ich Ende 1952 in diese Atmosphäre hineingeboren, und auf meinen Erinnerungen liegt viel Frühlingslicht.

Ihre Figuren wachsen einem sofort ans Herz, so nahbar, so emotional sind sie beschrieben. Man ist mitten drin im Leben dieser drei Familien und empfindet vor allem mit den vielen starken Frauen, die die Geschichte tragen, wie Nina, die sich ihrem verschollenen Mann verpflichtet fühlt, aber doch ihrer neuen Liebe nachgeben will. Welche Figur ist Ihnen am nächsten?
Da stehen mir einige sehr nahe. Nina gehört dazu, Ursel, Gerda und Margarethe. Aber auch die Männer liegen mir am Herzen. Allen voran Kurt und Vinton. Heinrich und Gianni.

In Ihrer Jahrhundert-Saga steckte ja viel Recherchearbeit;  auch diese Geschichte überzeugt wieder mit realistischem Flair und steckt gleichzeitig voller Zeitgeschichte. Sie sind 1952 geboren. Wie viel eigene Erinnerungen, wie viel Recherche steckt in Ihrem neuen Roman?
Meine eigenen Erinnerungen setzen erst 1957 kontinuierlich ein. Vorher sind diese Bilder, die ich vor Augen habe, eher Schnappschüsse. Doch ich habe die fünfziger Jahre gründlich recherchiert, eigene Familiengeschichte darin verwoben, viele Bücher gelesen, Dokumentarfilme angeschaut, aber auch die Unterhaltungsfilme, die in ihrem Weltbild oft entlarvend waren. Dann gab es in den fünfziger Jahren ja schon den Spiegel, die Wochenzeitung Die Zeit, den Berliner Tagesspiegel. Zu diesen Zeitschriften und Zeitungen habe und hatte ich Vertrauen, was deren Berichterstattung anging. Für das Stimmungsbild habe ich Ausgaben der Constanze gelesen, aber auch die Kundenzeitschrift von Edeka.

Und was hat es mit dem Gemälde des jüdischen Malers auf sich, das Heinrich Aldenhoven lieber seiner Frau zum Geburtstag schenkt als es in seiner Galerie zu verkaufen? Wie hat diese Episode in den Roman gefunden?
Da gibt es tatsächlich zwei Bilder, die Ananasberg heißen. Das berühmtere ist von Max Stern, er malte seine Szene aus dem gleichnamigen Kaffeehaus, das im Düsseldorfer Hofgarten stand, bereits 1914. Das zweite Bild, das ebenfalls Ananasberg heißt, begleitet mich seit meiner Kindheit. Mein Vater hat es Mitte der fünfziger Jahre in einer Kölner Galerie gekauft, ich vermute, dass es auch in jener Zeit entstanden ist. Es hat einen leichteren impressionistisch anmutenden Pinselstrich. Ich habe das Bild von meinen Eltern geerbt, es ist nach dem Tod meiner Mutter im September des vergangenen Jahres zu mir gekommen und hat mich zu diesem Handlungsstrang inspiriert.

„Und die Welt war jung“ ist als zweibändige Saga angelegt. Der erste Teil endet nach einem Jahrzehnt im September 1959 mit einem „Cliffhanger“. Was können Sie uns schon vom zweiten Band verraten? Wird er wieder ein ganzes Jahrzehnt umfassen?
Ja. Das zweite Buch wird in den sechziger Jahren spielen. Die eine und andere neue Figur steht schon bereit. Und den Cliffhanger werde ich gleich am Anfang aufnehmen. Wir müssen doch wissen, was mit Pips geschehen ist.

Eine letzte Frage: „Und die Welt war jung“  beginnt am 1. Januar 1950. In drei Städten starten Menschen mit ganz eigenen Traditionen ins neue Jahr ... Wissen Sie denn schon, wo und wie Sie den Jahreswechsel feiern werden?
Wir haben seit vielen Jahren eine liebe Tradition. Wir setzen uns mit den Freunden aus der Nachbarschaft um einen großen Tisch und essen, was wir gemeinsam zubereitet haben. Oft sind wir dann um Mitternacht zur nahen Alster gegangen. Ganz so, wie es die Familie und die Freunde am Ende des dritten Bandes der Trilogie tun. Doch ob Silvester in den Zeiten von Corona so gefeiert werden kann? Zwanzig Menschen um einen Tisch? Ohne das Abstandsgebot von ein Meter fünfzig einhalten zu können? Auch das steht noch in den Sternen.

Vielen Dank für das Gespräch!



Korn

Und die Welt war jung
Carmen Korn
Kindler Verlag
Hardcover, 640 Seiten
ISBN 978-3-463-40704-3
Euro 22,– (D), Euro 22,70 (A) auch als E-Book