
Literatur mit Seeblick
Ob Buchpremieren, Lyrikperformances, Open-Air-Festivals, Leseparcours oder Comic-Vernissagen:
Das Literarische Colloquium Berlin (LCB) in der Gründerzeitvilla am Wannsee ist seit fast sechzig Jahren ein experimentierfreudiger Ort für eine Vielzahl von Veranstaltungen rund um die Literatur. Zum vielfältigen Profil gehören ein Veranstaltungsforum und Gästehaus, eine Werkstatt und Talentschmiede für AutorInnen und ÜbersetzerInnen, die traditionsreiche Zeitschrift „Sprache im technischen Zeitalter“ sowie Preise, Austausch- und Förderprogramme. Wir haben uns mit Thorsten Dönges über das vielfältige Angebot dieser Berliner Institution unterhalten. Dönges kuratiert das literarische Programm und leitet die Autorenwerkstatt Prosa.
Herr Dönges, Sie sind bereits seit 20 Jahren dabei. Das LCB in einem Satz – geht das denn?
Literatur schreiben, lesen, hören – und das mit Seeblick!
Das hört sich wunderbar an. Das LCB blickt ja auf eine lange Geschichte zurück, es wurde 1963 im Geist der Gruppe 47 gegründet. Ist dieser Geist denn auch heute noch spürbar? Bzw. wie bleiben Sie als Institution am Puls der Zeit?
Es geht weiterhin darum, uns selbst und andere LeserInnen für Texte zu begeistern, sie zu diskutieren und auch über sie zu streiten. Was die Beteiligten angeht, so hat sich, auch im Hinblick auf Rollen und Machtverhältnisse, seit den Treffen der Gruppe 47 glücklicherweise einiges verändert.
Das LCB versteht sich als Ort der lebendigen Auseinandersetzung mit Literatur – was bedeutet das konkret für die Programmgestaltung?
Wir experimentieren mit vielen Veranstaltungsformaten und probieren neue aus. Von der intensiven Arbeit an Texten in unseren Seminaren für Profi-TextarbeiterInnen bis zum Genuss, eine öffentliche Veranstaltung zu erleben, wenn vor unserer Terrasse die Sonne untergeht, ist für jede und jeden etwas dabei.
Das ist bei jährlich zwischen 120 und 150 literarischen Angeboten sicher nicht zu viel versprochen – worauf freuen Sie sich im ersten Halbjahr denn besonders?
Ein besonderer Höhepunkt ist auch in diesem Jahr die Veranstaltung „Kleine Verlage am Großen Wannsee“ am 11. Juni. Diese Gartenmesse für und mit Independent-Verlagen findet in diesem Jahr zum 15. Mal statt. 30 Verlage aus dem gesamten deutschsprachigen Raum haben unsere Einladung angenommen und stellen ihre Bücher und AutorInnen in unserem Garten vor. Abends ist Musik angesagt. Wir laden herzlich zum Stöbern, Entdecken und zum Austauschen ein!
Und was erwartet uns 2020 noch?
Ende April feiern wir den Auftakt unseres neuen Programms „Und seitab liegt die Stadt“, das literarische Veranstaltungen im ländlichen Raum fördert. Sehr vielversprechend! Das Grenzgänger-Programm, das internationale Rechercheaufenthalte zu relevanten gesellschaftlichen Themen und Entwicklungen fördert, läuft zwar leider aus, aber wir werden es mit Veranstaltungen in ganz Berlin im Laufe des Jahres und einem großen Festival Mitte August noch einmal ausgiebig feiern.
Mit der Autorenwerkstatt entdecken und fördern Sie junge deutschsprachige AutorInnen. Renommierte AutorInnen wie Judith Hermann, Inka Parei, Thomas Weiss und Norbert Zähringer haben im Rahmen dieser Werkstatt ihre literarische Karriere begonnen. Was steht in der Werkstattarbeit 2020 an?
Die Autorenwerkstatt Prosa bietet die Möglichkeit, mit ausgewählten ReferentInnen und den anderen StipendiatInnen am eingereichten Text zu arbeiten. Nach drei Jahren mit der wunderbaren Antje Rávik Strubel als Co-Leiterin freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Julia Franck, die in diesem Herbst die Werkstatt mit mir leiten wird. Wir sind gespannt und freuen uns auf viele gute Bewerbungen!
Das LCB ist einerseits Residenzhaus, andererseits zieht es auch selbst in die Welt hinaus – welche Hausgäste erwarten Sie, wohin reist das LCB in diesem Jahr?
Oha, es werden wieder viele AutorInnen und ÜbersetzerInnen bei uns zu Gast sein. Zum Beispiel die Dichterin und Musikerin Ariane von Graffenried aus Bern und die Romanautoren Yannic Han Biao Federer aus Köln und Kai Wieland aus dem Schwäbischen.Großartig auch, dass Enis Maci, deren
Band „Eiscafé Europa“ uns alle begeistert hat, bei uns sein wird. Bei den internationalen Gästen freue ich mich besonders auf die Lyrikerin Oksana Vasyjakina aus Moskau. Und das LCB wird, wenn alles klappt, im Herbst 2020 mit AutorInnen zu Gast in Mexiko sein. Darauf freue ich mich schon!
Das hört sich nach einem
vielversprechenden Jahr an –
vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen
Weitere Informationen zum Angebot und Programm unter: www.lcb.de
Literarisches Colloquium Berlin
Am Sandwerder 5
14109 Berlin